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Sonntag, Januar 22, 2006

14 - 18 Uhr

Heute, ein Sonntag, diesiges Wetter, die Kälte kommt aus Russland zu uns, es ist nicht glatt, es nieselt nicht und der Wald liegt dahingegossen in einem puren Grau, aus dem gelbschmutzige Blätter hervorlugen, die entgegen der Schwerkraft und den Gesetzen der Vergängnis noch an den diversen Bäumen hängen. Dazwischen fahren gelangweilt irgendwelche Autos von X nach Y und ich bin mit dem Hund in eben dem Wald unterwegs, der durchschnitten von Asphaltbahnen, dahinvegetiert, wie das zerfaserte und vernarbte Herz eines Kranken. Auf diesen Asphaltbahnen ist selbst am Sonntag nachmittag bei diesem grauenhaften Wetter noch Verkehr und man darf sich die Frage erlauben, warum fahren die, wenn sie nicht müssen ? Gibts irgendwo was umsonst, oder muß man irgendwen besuchen , ist der Sprit nicht schon teuer genug ? Naja, irgendwie ist mir das ja eigentlich egal, weil sich der Hund freut - immer wenn er draussen ist - und ich gerade die Marquise von O als Hörbuch entgegennehme akkustisch aus meinem kleinen CREATIVE MP3 Player. Gott ist diese Story öde und langweilig - passend zu dem Wetter, gelesen von einem höflichen Menschen ohne Sprachfehler, der selbst beim besten Willen, dieser Geschichte mit dem diffusen Ende, nichts unterhaltendes abgewinnen kann. Naja- passt zum Wetter und irgendwie fällt mir dabei auf, dass Kleist auch ständig die Orte nicht mit Namen benennt, sondern aus Gründen der erotischen Verschwiegenheit von M und X und V und so .... spricht . Meine Güte, muss das eine verklemmte Zeit gewesen sein :( Obwohl , heute sind die Leute weniger verklemmt, aber offensichtlich auch nicht viel weiser, wenn man sich mal gelegentlich die Bildzeitung erlaubt. Superstars....ach Gott, wie weit ist doch jenes Fernsehformat in diesem grauen herrlichen Wald von mir entfernt, wie geniesse ich diese Farblosigkeit und warme Ehrlichkeit der skelletierten Baumkälte ! Der Hund bekommt wieder einen leckeren Stick, weil er sich brav setzt, als ein einsamer Läufer an uns vorbeiläuft. Wegen mir muß der Hund ja nicht brav sein, aber es entspannt halt, wenn man nicht ständig damit rechnen muß, dass er irgendeinem armen menschlichen Wesen in den Unterfuss beisst oder das Knie abknabbert, mal ganz von den versicherungstechnischen Verwicklungen abgesehen. Irgendwo in der Höhe von H, tief im Wald ist dann diese unsägliche Geschichte der Marquise vorbei, die mich ein wenig an unsere orangenfarbene Marquise am Haus erinnert, und die Harzreise von Heine beginnt. Ach welch unglaublicher Unterschied, ein besserer Leser, eine schönere Geschichte, ein offensichtlich wahnsinnig toller Autor- HEINE... ein Schatz - ein Genie- unfassbar, wie er mit wenigen Worten treffend die Göttinger Professores bezeichnet, als alte stumpfe Pyramiden, die ewiglich sich in den Gängen der Universität eingegraben haben, leer und hohl, während Legionen von unschuldigen, immer neuen Studenten an ihnen vorbeiziehen , die Erfahrungen in Goslar, die Ankunft bei dem Steiger und das Gedicht aus der Bergmannshütte. Mein Hund hat inzwischen kalte Pfoten, aber er bekommt neuerlich einen gehaltvollen Stick. Er dankt es mit einem fröhlichen Lächeln aus seinen herrlichen braunen Augen und dank Heine, kann ich nun auch diesem tristen Sonntag viel mehr abgewinnen, als es noch kurz vorher durch Kleist und jene stumpfsinnigen Autofahrer, die wirklich alles kaputtmachen, was ihnen ohnehin nicht heilig ist,den Anschein hatte.
So gesehen - ein wundervoller Nachmittag